Six Wide – Fluch und Segen
Der Lego-Standard für Fahrzeuge ist „sechs Noppen breit”. Das ist gut. Und das ist gleichzeitig sehr schlecht. Denn wenn dieser Standard als Maß aller Dinge genommen wird, leidet das Modell. Und man zeigt gleichzeitig, dass man den Sinn nicht wirklich verstanden hat.
Wie war das überhaupt, damals?
An einen trüben Wintertag trat die Konklave zusammen, diskutierte lange über das Für und Wider der verschiedenen Kandidaten, die Argumente wogten hin und her. Am Ende aber kam weißer Pfeifenrauch aus dem Besprechungsraum in Billund, und der Versammlungsleiter trat durch die Tür, verkündend: „Seks bred! Seks bred!“ Und das versammelte Lego-Volk jubelte: „Habemus Mensura! Wir haben einen Standard! Sechs breit, sechs breit!“
Gut, ist vielleicht nicht ganz historisch korrekt in allen Details, aber so ähnlich wird es gewesen sein. Als Lego festlegte, welche standardmäßige Breite künftig für Fahrzeuge gelten soll. Zumindest im Bereich „City“, in dem Kinder wie AFOL eine ganze Stadt (und Umland) aufbauen können. Wo alles irgendwie passen muss. Und wo Grundplatten mit aufgedruckten Straßen und auch Rolltore für Garagen jetzt eine definierte Breite hatten. So breit, dass eben ein sechs Noppen breites Fahrzeug (plus vielleicht etwas Luft für Kotflügel und andere Anbauten) durchpasst. Eine willkürliche Normierung, die aber für das Gesamtsystem „City“ sehr viel Sinn machte. Und heute noch macht.
Noch dazu kein unbekannter Vorgang in der Spielzeugwelt – Matchbox etwa entwarf alle Modelle so, dass sie in den kleinen Pappkarton (die namensgebende „Streichholzschachtel“) passten. Der Maßstab des einzelnen Modells wurde so gewählt, dass es in die Packung passte. Oder nehmen wir Revell, immerhin „ernsthafter“ Modellbau: Begonnen hat man etwa bei Schiffen mit „Box Scale“. Was auch wiederum nichts anderes bedeutet, als dass man die Gussrahmen in einen Standardkarton verpacken konnte, die Modelle selber aber mal 1/281, dann wieder 1/547 waren. „Constant Scale“, also derselbe Maßstab für alle Modelle einer Reihe, kam später.
Am ehesten ist das Lego-Diktat der sechs Noppen aber letztlich mit dem Rennbahnkonzept „Hot Wheels“ vergleichbar, denn hier mussten alle Fahrzeuge in die Schienen passen. Eine Standardisierung, die tatsächlich dem Spielsystem, dem Gesamtkonzept der Reihe geschuldet war.
Spielzeug oder Modell?
Mittlerweile sind zahlreiche Firmen auf den Lego-Zug aufgesprungen, denn das Grundkonzept des Klemmbausteins ist schon lange nicht mehr geschützt, und nur noch relativ wenige Lego-Steine sind, zum Teil auch lediglich regional, exklusiv Lego vorbehalten. So können dann etwa Cobi und Airfix „kompatible“ Sets entwerfen, teils mit eigenen (und keineswegs anderweitig verwendbaren) Steinkreationen versehen. Oder es tritt eine ganz Phalanx von asiatischen Epigonen an, die Steine billiger produzieren, teils sogar ganze Sets kopieren. Und gerade bei diesen gilt: Damit ChiCoPee „Urban“ auch mit Lego „City“ kompatibel ist, und so Kundenbeschwerden vermindert werden, muss das Fahrzeug sechs Noppen breit sein.
So weit, so gut, aber … wir reden hier von Spielzeug! Und dabei speziell vom Konzept „City“.
Lego selbst hat das schon gut begriffen, werden doch nicht unbedingt in das City-Konzept gehörende Fahrzeuge anders gestaltet. Ein schneller Blick zeigt, dass die „Mystery Machine“ aus Scooby Doo ihr gutes Aussehen einer Breite von acht Noppen verdankt. Und dass der Riddler sogar in einem Sportwagen daherkommt, der Straßen und Einfahrten locker zehn Noppen breit benötigt. Von dem Vorbild nahe kommenden Technik-Modellen wollen wir gar nicht reden, auch nicht von der Creator-Serie.
Fazit: Was nicht City sein muss, muss auch nicht Six Wide sein. Und wenn es möglichst nahe am Original sein soll, näher am Modell denn am Spielzeug, dann mag selbst bei Lego zwar eine Art „Minifiguren-Maßstab“ genommen werden, aber Six Wide fliegt schnell aus dem Fenster (natürlich Trans Clear … eigentlich ein Pleonasmus).
Modelle für Erwachsene?
Und da komme ich dann auf BlueBrixx, die eine Reihe von Sets anbieten, die gezielt für den AFOB-Markt gestaltet wurden. Eisenbahnen, Militärfahrzeuge, alles eigentlich als Modell vermarktet, denn für ein Spielzeug sind die Konstruktionen oft schlicht zu empfindlich. Vitrinenmodelle für Sammler, gut gemacht, aber eben ohne echte Spielzeug-Intention.
Und was macht der Designer? Ja, gut geraten … Six Wide.
Sieht man sich etwa die US-Feuerwehren an, fällt es Kennern sofort wie Schuppen aus den Haaren: Von der Seite sehr vorbildgetreu, von vorne wie eben frisch gepresst. Der schwere Rüstwagen von Rosenbauer etwa wirkt wie eine Karikatur, hervorgerufen nur durch das Klammern an der Lego-Spielzeug-Vorgabe von sechs Noppen. Dass dieses extrem lange Fahrzeug nie eine der Lego-Kurven schaffen würde, und sich in einer auf entsprechenden Grundplatten aufgebauten City abseits der geraden Strecke sofort festfahren würde? Egal …

Und schaut man auf die deutschen Feuerwehren, dann muss man auch mit einem lachenden und einem weinenden Auge rechnen. Wirken diese meist zwar nicht so verzerrt wie die großen Amis, so verwundert es den Realitätsexperten dann doch ab und an, warum ein ELW1 auf Transporterbasis genauso breit sein soll wie der ELW2 auf dem LKW-Chassis. Und wieso, nebeneinander stehend, das im wahren Leben deutlich kleinere Fahrzeug fast denselben Raum einnimmt.
Der einzige Grund dafür? Ja, wieder gut aufgepasst … Six Wide.
Mich schüttelt es, wenn ein so simples Spielzeugkonzept auf Teufel komm raus auf eine Reihe von an sich ganz gut gelungenen Modellen gedrückt wird. Denn dann leidet der Modell-Charakter, ohne dass der Spielwert gegeben ist. Die (nur locker einem Vorbild ähnelnden) Feuerwehren der Lego-City sind ohnehin durchweg solider konstruiert, eben keine Vitrinenmodelle.
Allerdings sei eines hier noch gleich angemerkt: Die Auswahl an Windschutzscheiben ist nicht so breit, wie man es sich wünschen könnte … wer mehr als Six Wide will, muss meistens tricksen, Teile kombinieren, auch eine nicht durchgängige Scheibe in Kauf nehmen. Aber ganz ehrlich, ein kaum sichtbarer Mittelsteg ist immer noch besser als vollkommen verschobene Proportionen. Und wenn man statt einem Fahrer auf Mittelposition dann sogar Fahrer und Beifahrer im Cockpit sehen könnte, etwas Mannschaft dahinter …
Warum erschlug der Teufel seine Großmutter?
Weil sie keine Ausrede mehr wusste … so eine der Weisheiten meines seligen Mütterleins, die ich auch gerne noch verbreite. Und so wird in Diskussionen gerne auf ein Faktum verwiesen, dass auch in den BlueBrixx-Videos ab und an mitklingt – die Firma plant eine Feuerwache, und bei der werden transparente Rolltore eingebaut. Und diese Rolltore sind, als reine Lego-Clone, nunmal nur acht Noppen breit. Ergo müssen die Fahrzeuge Six Wide sein, um die Wache zu passen.
Klingt erst einmal logisch, aber … wir reden jetzt schon immer noch von Modellen für AFOB, also für Erwachsene? Die nicht unbedingt „ratter-ratter-ratter“ rufen, wenn sie das Tor aufschieben, und dann mit lautem „lalü-lala“ durch die City rollen? Kurz, die das Produkt (zumindest mehrheitlich) nicht als Spielzeug, sondern als Modell sehen? Und die nach den Investitionen für die Modelle vielleicht nicht unbedingt eine Wache kaufen … ich denke da an meine H0-Zeiten zurück, Dutzende von Rettungsfahrzeugen gebaut, aber nie eine Wache dazu. Denn, auf das Fahrzeug kam es an. Zumal so eine Wache ja auch Platzbedarf hat.
Apropos Platzbedarf: Wenn ich das richtig verstanden habe, passt zumindest ein Teil der US-Feuerwehrfahrzeuge von BlueBrixx allein von der Länge ohnehin schon nicht in die von BlueBrixx avisierte Wache. Dann ist das Argument zum Erhalt von Six Wide umso hinfälliger.
Zumal, es gäbe ja auch andere Lösungen – Falttore etwa lassen sich mit Gelenken und Fensterelementen relativ leicht konstruieren. Und sind durchaus in Feuerwachen eingebaut. Und können fast beliebig breit werden, so dass die Verwendung von Clone-Steinen kein Hindernis mehr sein muss, und Six Wide der Vergangenheit angehören kann. Beziehungsweise nur noch im Bereich Spielzeug kompatibel bleibt.
Wer soll das bezahlen?
Ich gebe es ja zu … ein Feuerwehrfahrzeug in Six Wide wird immer billiger sein als ein Feuerwehrfahrzeug mit etwa zehn Noppen Kernbreite. Warum? Weil man für Letzteres eben schätzungsweise 50% mehr Steine benötigt. Nun mögen die Steine an sich der kleinste Kostenfaktor sein, aber Mehrkosten verursachen sie dann irgendwann schon. Tragbare Mehrkosten? Müsste man kalkulieren, aber ich schätze mal, dass die in einem akzeptablen Rahmen liegen dürften.
Und dann sollte man sich die Zielgruppe ansehen. Erwachsene. Die (um beim Bereich Feuerwehr zu bleiben) begreifen, dass ein Smart vom Vorbeugenden Brandschutz eben nicht dieselbe Breite wie der RW3 hat, dass ein Sprinter kleiner als ein Actros ist. Und die diese realen Unterschiede auch gerne in ihren Modellen sehen würden, vielleicht sogar lieber als irgendwelche „Play Features“, eine Pseudo-Beladung aus ganz vielen Äxten, oder sogar eine passende Feuerwache.
Und diese Zielgruppe ist auch im Zeitalter „Geiz ist geil!“ durchaus noch bereit, eine Handvoll Euro mehr zu zahlen. Glaube ich. Auf einen Versuch käme es an.
Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen.
Ich persönlich konstruiere LKW´s nur in 8er Breite. Six Wide kommt ja einem LKWehchen gleich.