Ohne Hakenkreuz macht alles keinen Sinn …

Ich kann es nicht mehr hören, dieses scheinheilige Gejammer mancher Mitmenschen, wenn irgendwo ein Hakenkreuz fehlt. Denn nur mit dem Kernsymbol des „Dritten Reiches“ kann man anscheinend als (Eigenauskunft) mündiger Bürger glücklich werden. Bei Spielzeug. Bei Klemmbausteinen. Und ich dachte, Modellbauer würden da schon extremen Tunnelblick üben …

Steine des Anstoßes waren in diesem Fall einige bedruckte Fliesen, die der hessische Händler BB Services aus einem Set herausgefischt und durch unbedruckte Teile ersetzt hatte. Also netto kein Verlust an Teilen, Stabilität oder gar optischem Gesamtbild. Denn es handelte sich hier schließlich um ein massives Geschütz aus dem Zweiten Weltkrieg, die vor allem der Propaganda dienende 80-cm-Kanone (E) „Schwerer Gustav“ (im Landserjargon auch gerne „Dora“ genannt). Angeboten vom chinesischen Hersteller Kazi (ein im Zusammenhang mit der Diskussion um NS-Symbolik etwas unglücklicher Name, erinnert er doch an „Nazi“ und/oder „KZ“). Und mit im chinesischen Angebot waren Minifiguren (die BB Services ebenfalls entfernt hat, ist aber ein anderes Thema), sowie ein auch Hakenkreuze enthaltener (oder zumindest andeutender) Druck. Und da wird es rechtlich schwierig.

Deswegen der Austausch gegen blanke Fliesen, Mitarbeiter Marco weist in diesem Screenshot aus dem Werbevideo gerade drauf hin:

bluebrixx video zum "eisenbahngeschütz dora" (eigentlich "schwerer gustav") von kazi

Ja, richtig gesehen … wir reden hier von einem dicken Brummer. Dem Modell, nicht dem Marco. Und wir reden hier von einem bedruckten Teil, das in etwa die Größe eines Fingernagels hat. Dessen Vorhandensein (oder nicht) keinem Menschen auffallen würde, mit einem Druck, der für das gesamte Erscheinungsbild des Geschützes absolut irrelevant ist. Das aber im Zweifelsfall strafrechtliche Folgen und einen heftigen Gesichtsverlust nach sich ziehen kann – weswegen die Entscheidung von BB Services, das Teil im voreilenden Gehorsam gleich selbst aus der Box zu pfriemeln, nicht nur sinnvoll, sondern eigentlich auch gar nicht diskutabel ist.

Oder doch? Denn anstatt sich still und heimlich das Set ohne die fehlenden Teile direkt in China zu besorgen (und somit ein kleines Restrisiko selber zu tragen), machen einige Zeitgenossen wiederholt ein Fass auf. Motto: „Ohne die Drucke ist das ganze Modell nix wert!“

Gut, ist Ansichtssache … aber ich halte hier schon mal fest, dass ich das für lächerlich halte. Dann könnte man ja auch gleich sagen, dass die vom polnischen Hersteller Cobi jüngst auf den Markt geworfene „Graf Zeppelin“ (auch so ein Fetischobjekt der Wehrmachtsfans) nichts wert sei … weil da eben nicht die Reichskriegsflagge gezeigt wird, sondern eine „entschärfte“ Variante (siehe Screenshot von cobi.pl). Von den unpassenden Flugzeugen wollen wir gar nicht erst reden.

Wie nun begründet der (nach eigenen Angaben natürlich keineswegs politisch rechts stehende) Hobbyist seinen Bedarf nach dem Hakenkreuz. Natürlich damit, dass a. das alles Geschichte ist und sowieso vorbei, b. man Geschichte nicht zensieren darf und man c. schlicht und einfach ein absolut originalgetreues Modell haben will. Schließlich sei man, Punkt d., nur an der Geschichte und Technik interessiert, nicht an der Politik.

Ah, ja … und das Schwein auf Landebahn 3 hat jetzt Startfreigabe.

Punkt a – es ist alles Geschichte und sowieso vorbei. Stimmt, Gott und der Sowjetarmee sei Dank möchte man fast sagen, aber diese Geschichte bestimmt nun einmal den rechtlichen Umgang mit den Symbolen des Nationalsozialismus. Und, grob gesagt, sie sind zu Recht außerhalb eines recht engen Feldes verboten. Modellbau gehört nicht dazu, also darf in Deutschland kein Händler sowas in den Umlauf bringen. Zum Thema „alles vorbei“ sage ich mal besser nichts, denn auch 75 Jahre nach der Kapitulation träumen so manche Irrlichter noch von der Wiederauferstehung des Reiches.

Punkt b – man darf Geschichte nicht zensieren. Da stimme ich zu. Aber: Wir reden hier von einem Hobbyartikel, bei dem eine kleine, miese Fliese ohne Bedruckung daherkommt. Stellt das eine „Zensur der Geschichte“ dar? Absolut nicht. Wer sich über das Geschütz informieren will, der kann das in Büchern und im Netz ohne Probleme, ohne jede Zensur tun. Nirgendwo wird Geschichte zensiert. Und auf historischen Aufnahmen sind auch, da ist das deutsche Strafrecht nämlich differenziert, massenweise Hakenkreuze zu sehen. Also, mal mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben!

Punkt c – man will schlicht und einfach ein absolut originalgetreues Modell haben. Diesen Wunsch würde ich durchaus ernst nehmen, wenn wir hier nicht von Klemmbausteinen reden würden. Denn das Geschütz hatte im Original leider keine deutlich sichtbaren Noppen, und auch die Dimensionen der Vorbilds werden zumindest im Detail nicht erreicht. Kurzum: Wer „absolut originalgetreu“ bei Verwendung von Klemmbausteinen ins Gespräch bringt, der hat für mich schon im Ansatz verloren.

Bleibt Punkt d – der sich echauffierende Mitbürger ist nach eigener Angabe nur an der Geschichte und Technik interessiert, nicht an der Politik. Ganz ehrlich, das ist doch ein Scheinargument. Denn wer wirklich nur an der Geschichte interessiert ist, will der ein Modell, und wenn ja, wozu? Und wenn jemand nur an der Technik interessiert ist, kann der dann nicht begreifen, dass jede Art von Bemalung und Beschriftung keinen technischen Wert hat, und somit in einer modellhaften Darstellung verzichtbar ist? Leute, gebt es einfach zu – Ihr wollt ein Modell der Dora, weil das Ding so richtig geil aussieht und einen dicken Bums gemacht hat … und vielleicht der eine oder andere auch, um ein wenig zu kompensieren. Einfach mal ehrlich sein.

Aber dann auch konsequent weitermachen … denn das Dora-Modell kann ich noch verstehen, aber dieses zwanghafte Verlangen nach dem Hakenkreuz dann nicht mehr. Oder will man das auch nur, weil es so richtig geil aussieht, und weil man damit so nett einfach provozieren kann? Und macht man die fehlenden Fliesen auch vielleicht nur zum Thema, um indirekt seine Gesinnung zu zeigen? Oder, ganz ehrlich, ist das nur ein Verhalten wie das von pubertierenden Jungs, die sich heimlich Sexheftchen ansehen und davon träumen, auch mal zum Schuss zu kommen?

Wird man doch wohl noch fragen dürfen …

Übrigens – manchmal beruft man sich als Klemmbausteintüftler ja auch auf die Freiheit der Kunst. Das ist hier vollkommen neben der Kapp. Aber Zbigniew Libera hat wirklich Kunst mit Lego und Nazis gemacht. Seine Konzentrationslager-Sets sind mittlerweile legendär. Und eine ganz andere Liga.