Minifiguren-Maßstab? Mumpitz!

Immer wieder reden AFOB/AFOL von einem „Minifiguren-Maßstab“. Eine extrem ungenaue, teils verwirrende Bezeichnung. Gemeint ist meistens in etwa: „Daneben sieht eine Minifigur nicht vollkommen idiotisch aus!“ Also grob das Urteil, dass Figur und Modell zusammen optisch stimmig sind, unter einigen Abstrichen von der Realität. Oder, dass eine Minifigur etwa als Passagier reinpasst, durch die Tür kommt. Was auch immer, es geht um de Gesamteindruck. Mehr nicht. Aber …

Der Modellbauer in mir schüttelt sich, wenn die Frage kommt, was denn nun genau der Minifiguren-Maßstab sei. Also in Zahlen. So wie auf dem Airfix-Flieger 1/72 draufsteht, so muss es doch wohl auch ein „Eins zu“ der Minifigur geben. Oder was hat Lego, als Erfinder, sich sonst dabei gedacht? Da kommt mir dann immer die Gegenfrage hoch, ob diese Leute sich überhaupt schon mal eine Minifigur angesehen und mit der Realität verglichen haben. Denn wenn die Spitfire bei Airfix in 1/72 ist, dann ist jede Dimension möglichst exakt ein Zweiundsiebzigstel des Vorbilds. Jede. Weswegen auf guten Bildern ein gut gebautes Modell oft auf den ersten Blick nicht vom echten Jagdflugzeug zu unterscheiden ist.

Das Mass aller Dinge ist voll!

Aber kein mit Sehkraft gesegneter Mensch wird die Minifigur der „Wonder Woman“, egal wie gut fotografiert, mit Gal Gadot verwechseln.

Warum nicht? Weil Lego mit der Erfindung der Minifigur eben keinen anatomisch korrekten Menschen schaffen wollte, sondern ein in Hautfarbe und Geschlecht neutrales Spielelement. Dessen Parameter irgendwie in die Lego-Geometrie passen. Und das die stilisierte Bevölkerung der ohnehin schon stilisierten Lego-Welt mimen kann. An einen „Maßstab“ hat da bei Lego wohl niemand gedacht, die endgültige Entscheidung traf man wohl eher anhand der Kriterien „praktikabel“, „spielfreundlich“ und „sieht ja auch irgendwie nett aus“. Zusammengefasst: Die Lego-Minifigur war nie ein Preiser-Männchen. Und hat mehr mit einer willkürlichen internen Normierung wie Six Wide als mit irgendeinem Maßstab gemein.

Was die Frage nach dem Maßstab sinnlos macht.

Glauben Sie nicht? Nun gut, wenn es denn der Wahrheitsfindung dient … mache ich einen Selbstversuch. Also wurden einige Grundmasse meines Körpers mit denen einer Minifigur in Relation gesetzt. Das Ergebnis der Messungen (und man möge mich vor dem geistigen Auge realistischerweise nicht als Adonis, sondern als untersetzten, relativ kurzbeinigen Gnom erscheinen lassen):

  • Gesamthöhe – 1/42
  • Beinlänge – 1/55
  • Armlänge – 1/35
  • Kopfhöhe – 1/22
  • Schulterbreite – 1/34
  • Körperbreite Taille – 1/32

Fazit – entweder es gibt keinen echten Maßstab für eine Minifigur … oder ich bin Quasimodo. Solche Abweichungen kamen nur in den anatomischen Kabinetten und Freak Shows der viktorianischen Zeit an einem einzelnen Menschen vor.

Wenn jetzt Leute wegen der Höhe von 1/42 (was ja dem Auto-Maßstab 1/43 und so auch der Spurweite 0 nahe ist) von „in etwa 1/43“ reden, dann haben sie nur in einer Dimension gedacht. Und selbst wenn man etwa eine S-Bahn aus Klemmbausteinen in 1/43 konstruieren würde, wäre diese nie und nimmer in einem echten „MInifiguren-Maßstab“, hält man sich an die andere Regel „Six Wide“. Sondern schmal. De facto so schmal, dass es nur Einzelsitze in der Mitte für die Fahrgäste gäbe (die zum Aussteigen durch die hoffnungslos zu engen Türen über alle anderen Sitze klettern müssten).

Mal die Probe aufs Exempel bei der DB-Baureihe 423 – Länge 67.400 mm, Breite 3.020 mm, Spurweite 1.435 mm. In 1/43 wären dies jeweils 1.567 mm, 70 mm und 33 mm. In Lego dann 196 Noppen Länge, neun Noppen Breite, Spurweite etwas über vier Noppen (was in der Tat der Lego-Standard ist). Dass kein gängiges Modell neun Noppen breit ist, es überrascht kaum. Aber: Eine S-Bahn im „Minifiguren-Maßstab“, in der wirklich vier Sitze und noch ein Mittelgang wären … sie müsste wegen der verschobenen und verschrobenen Dimensionen der kleinen Fahrgäste sogar mindestens zwölf Noppen breit angelegt werden. Und selbst dann könnte sie nicht fünf Minifiguren nebeneinander fassen, denn die kommen sich mit den Armen ins Gehege.

Also, besser nicht mit echtem Maßstab anfangen. Sondern einfach das eigene Auge entscheiden lassen, ob ein Modell ästhetisch zu den Minifiguren passt.