Klemmbausteine als Kunst?
Gerne geben die erwachsenen Freunde der Klemmbausteine bekannt, ihr Hobby sei ja „Kunst“ – zum einen, wenn es um das Urheberrecht geht, zum anderen, wenn mal wieder das heiß begehrte Hakenkreuz legitimiert werden soll. Im ersten Fall bin ich eher skeptisch, im zweiten kommt mir das Wort „Vollklatsche“ in den Sinn. Aber die zentrale Frage, so oder so, bleibt: Sind Klemmbausteine Kunst? Das kann man nicht pauschal beantworten, da muss man wirklich differenzieren. Und ich versuche das jetzt mal.
Zunächst müssen wir uns einmal einig werden, was denn wirklich „Kunst“ ist. Denn der Begriff ist ziemlich schwammig. Ganz einfach gesagt, ist Kunst etwas, was der Mensch künstlich, also nicht in der Natur vorkommend, schafft. Das kann zwar an die Natur angelehnt sein, und Materialien aus der Natur verwenden, aber in seiner Endform muss es eben „von Menschenhand geschaffen“ sein (die Diskussion über Kunst von Tieren oder Maschinen will ich einmal ganz ausblenden). Nun ist nach dieser Definition aber auch ein grob zurecht geschlagener Faustkeil „Kunst“ … und das wäre Quatsch. Also kommt ein zweiter Faktor dazu: Kunst muss sich deutlich von einem schnöden Alltagsgegenstand unterscheiden, darf nicht mehr rein zweckgebunden sein. Und da beginnt schon eine Grauzone, denn kunstvoll verzierte Alltagsgegenstände können schon selber wieder Kunst sein, und natürlich kann man aus Alltagsgegenständen Kunst schaffen. Kompliziert genug?

Wobei jetzt noch die „Schöpfungshöhe“ oder „Gestaltungshöhe“ dazukommt … man kann nicht einfach seine Gabel aus der Currywurst ziehen, auf den Tisch legen und deklarieren: „Det is jetzt Kunst!“ Oder, anders gesagt, man kann schon, aber ob das wirklich Kunst ist, das entscheidet man nicht selber. Zum einen muss es eine „persönliche geistige Schöpfung“ sein. Zum anderen, wie es im „Geburtstagszug-Urteil“ richterlich hieß, muss ein Werk „eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer ‚künstlerischen‘ Leistung zu sprechen“. Wenn also ein anderer Künstler, oder ein Kunstwissenschaftler, auch sagt, dass „det wirklich Kunst is“, erst dann ist die Gabel Kunst. Oder auch nicht, wenn andere „Kreise“ das bestreiten.
Kurzum … wenn ich allen Unrat in eine Ecke kehre, ist das Faulheit. Und wenn mir ein Ei auf den Boden fällt, ist das eine Sauerei. Bei Joseph Beuys kann das schon anders aussehen. Ganz zu schweigen von Milo Moiré. Wer will, mag sich selbst schlau machen, ich sage nur „PlopEgg“. Aber wenn denn nun Dreck und Eier Kunst sein können, warum nicht auch Klemmbausteine? Gute Frage, und leicht zu beantworten:
Klemmbausteine sind keine Kunst, aber man kann aus Klemmbausteinen Kunst schaffen.
Denn das Medium an sich, ob nun Ölfarbe, Ton, oder eben ABS-Steinchen, es ist nur ein Medium. Ein Mittel zum Zweck. Und der Zweck ist es, aus dem erstmal uninteressanten Medium ein Werk zu erstellen, das auch den Begriff „Kunst“ verdient. Das also nicht nur in der Geisteswelt des Schöpfers als Kunst gelten kann. Und wie passiert das? Nicht nur durch sklavische Nachbildung, sondern durch einen Funken Verstand oder Inspiration … Kunst entsteht eigentlich nur, wenn sich der Künstler Gedanken darüber macht, oder sich zumindest von seinen Emotionen leiten lässt. Und dann diese Gedanken und/oder Gefühle praktisch umsetzt, als Kunstwerk.
Wobei, um es zu verkomplizieren, auch eine Tat ohne Medium (bei der der Künstler gewissermaßen das Medium ist) kann Kunst schaffen, Aktionskunst. Aber auch da kommt es auf den Gedanken an. Mal so gesagt: Ein Wheelie auf dem Motorrad bei 160 km’h ist keine Kunst, sondern Können (oder selbstmörderischer Leichtsinn, hier bestimmt das Endergebnis die Einschätzung). Machen aber vier Biker einen Wheelie, brüllen dabei Passagen aus der Apokalypse des Johannes, untermalt von Wagners Walkürenritt … da liegt der Fall schon anders. Andersrum gesagt: Jeder angelernte Anstreicher kann ein Haus im Stil von Piet Mondrian bepinseln … ein Vertreter des Neoplastizismus wird er dadurch noch lange nicht.
Übrigens heißt es nirgendwo, dass Kunst „schön“ sein muss, einen Bildungsauftrag erfüllt, oder gar vom Betrachter „verstanden“ werden sollte.
Sie merken schon, worauf es hinausläuft? Ja, genau, alles kann Kunst sein. Und eigentlich jeder Mensch ein Künstler. Und jedes Medium kann/darf/soll genutzt werden, um Kunst zu schaffen. Also können auch Klemmbausteine Kunst sein.
Ende der Diskussion?
Ach was … ich komme nochmal zum Anfang zurück: Ist ein MOC Kunst? Darf sich ein exhibitionistischer Neonazi auf die Kunstfreiheit berufen?
Zum MOC als Kunst: Angenommen, man konstruiert ein Brandenburger Tor aus Klemmbausteinen – da wird letztlich nur ein bestehendes Kunstwerk nachgebildet, und die endgültige Ausführung ist schlicht und einfach den technischen Gegebenheiten geschuldet. Nicht wirklich Kunst, oder? Man mag dafür das Urheberrecht in Anspruch nehmen können, wird aber bei der Durchsetzung von Ansprüchen meist Probleme bekommen. Zumal man als Intention wohl am ehesten „Nachbildung“ anführen kann, und die technische Beherrschung von Klemmbausteinen nun einmal keine besonderen Fähigkeiten erfordert. Gestaltet der MOC-Macher allerdings das Tor in Rosa und lässt die Säulen in hochhackigen Schuhen enden (oder, wem das zu „bäh“ ist … das Tor in Braun und die Schuhe von Doc Martens), dann kann man von Kunst sprechen. Weil, da hat sich jemand eine Rübe gemacht …
Zur Kunstfreiheit eines Klemmbausteinmodells: Wer unbedingt ein korrektes Fliegersichttuch auf seinem Tiger braucht, der soll das doch bitte draufmachen, das Modell dann aber nicht öffentlich zeigen und schlicht die Klappe halten. Ist wie mit Sex: Was in den eigenen vier Wänden zwischen zwei (oder mehr) Erwachsenen in vollem Einverständnis vor sich geht, das geht niemand etwas an. Strafrechtlich relevant werden Nazi-Symbole erst, wenn man sie öffentlich zeigt. Und bei einem Modell dann auf Kunstfreiheit zu pochen, das ist schon recht weit hergeholt. Wo ist die Kunst an Deinem Tiger? „Hab ich nach Bauanleitung zusammengesteckt!“ Das schaffen schon Sechsjährige, ohne sich als Leonardo zu fühlen. Letztlich ist es wieder wie beim Brandenburger Tor oben … das kann man aus Klemmbausteinen bauen, da kann man auch Hakenkreuze einarbeiten, aber dann muss schon etwas mehr Aussage, künstlerischer Gehalt dahinter stecken. Und, vor allem: Auf einer Ausstellung von AFOB/AFOL hat es nichts zu suchen, der Rahmen der Präsentation sollte vielleicht einem „Kunstwerk“ angemessener sein.
Um es zusammenzufassen: Kunst aus Klemmbausteinen mag im etablierten Kunstbetrieb vielleicht einen schweren Stand haben, eine durchaus annehmbare Schöpfungshöhe wird man allerdings auch mit Ölfarbe oder Ton vorweisen müssen, um akzeptiert zu werden. Aber letztendlich ist es keine Frage – Klemmbausteine können ein künstlerisches Medium sein. Spaghetti und abgeschnittene Fußnägel auch.
Den Begriff „Kunst “ aber als Pseudoargument etwa gegen das Strafrecht anzuführen, das zeugt nur von mangelndem Verständnis. Um es freundlich zu sagen.
Sehr schöner Artikel, das Hakenkreuz ist in Ausnahmefällen erlaubt, wenn es zerschlagen dargestellt wird oder wenn es eine Figur in den Mülleimer wirft, damit ist es eine Künstlerische Darstellung um seine Abneigung gegen das dritte Reich oder Nazis zu zeigen. Und im Kinofilm auch erlaubt um die Geschichte darzustellen (Kunst) oder wenn es historische Originalaufnahmen sind.
Korrekt, Sven – es gibt Ausnahmeregelungen, die man aber auch oft erst durch den Kontext definieren kann.