Ein Lob dem Billigstein

AFOL bitte weglesen, AFOB die Valium nehmen – es geht um billige Klemmbausteine an sich, und die „No-Name-Produkte“ (oder unter Phantasienamen auftauchenden Kartons) im Supermarkt, die sich nicht einem konkreten Hersteller zuordnen lassen. Sind sie generell Sondermüll? Ich glaube nicht, auch wenn so mancher Hobbyfreund immer gleich losheult, dass solche Billigware ja nun ganz und gar nichts tauge.

Gleich vorweg ein Realitätsgedanke: Hängt die Qualität eines Klemmbausteins nicht am ehesten davon ab, mit welchen Erwartungen wir an ihn herangehen? Und da gibt es dann gleich mehrere Kriterien, die man teils objektiv, teils subjektiv beurteilen kann.

Objektiv ist meiner Meinung nach allein zu bewerten, ob die Steine mit dem Marktführer Lego kompatibel und daher auch lustig untereinander mischbar sind (LOZ-Ministeine und Diamond Blocks lasse ich jetzt mal links liegen, obwohl da natürlich prinzipiell dasselbe gilt). Auch noch objektiv bewertbar ist die farbliche Gestaltung der Steine … aber da schwächelt selbst Lego momentan, liefert Sets aus, in denen die Steinfarben im angeblich selben Farbton Unterschiede aufweisen. Jedoch Obacht: Die teils minimal voneinander abweichenden Farbtöne fallen meist nur im direkten Vergleich auf, wenn sie eben nebeneinander auftauchen.

Und da gleiten wir schon in den subjektiven Bereich: Wenn das Rot verschiedener Steine leicht voneinander abweicht, das aber nur bei gemischter Verbauung (und vielleicht sogar nur unter bestimmten Lichtverhältnissen) auffällt, ist es dann wirklich ein Problem? Für den einen Menschen ja, prinzipiell, und überhaupt, der umfallende Baum macht immer ein Geräusch. Andere Bastler sagen sich, dass ein rotes Teil an der Rückseite problemlos leicht anders gefärbt sein kann als das an der Vorderseite, etwa bei Fensterläden an einem Haus. Und dann gibt es diese Hardcore-Toleranten wie mich, die vor allem bei Architektur-Modellen leichte Farbabweichungen begrüßen, weil dann eine Mauer eben natürlicher wirkt. Wenn allerdings ein Feuerwehrauto daherkommt wie eine Patchworkdecke, dann wird es mir auch zu bunt.

Weitere subjektive Bewertungspunkte sind die legendäre Haptik, also wie sich ein Stein anfühlt (ist mir eigentlich egal, solange er passt), die Wertigkeit (verstehe ich auch nie ganz – ich will bauen, nicht Klemmbausteinspekulant sein), und natürlich die Klemmkraft. Letztere wird oft beschworen, ist aber dann eigentlich auch schnell wieder vollkommen unwichtig. Je nach der Konstruktion, in der ein Stein verwendet werden soll. Leicht wackelige Steine in der Mitte einer Mauer? Eigentlich kein Problem. Ein Stein mit wenig Klemmkraft, an dem siebenundzwanzig andere stabil und in vollkommener Opposition zur Schwerkraft hängen sollen? Ja, Scheiße, stimme ich zu … da kommt dann oft das böse Wort der „Gluebricks“ ins Spiel.

Eher wieder ins Objektive geht dann die Gesamtbeurteilung eines Klemmbaustein-Konvoluts: Ist im Karton alles das drin, was beim Verkauf versprochen wurde? Fehlen also keine Teile, und sind auch keine verformten oder nicht komplett gespritzten Teile dabei? Sprich: Wie sieht die Qualitätskontrolle aus? Da dreht es sich dann eben nicht mehr um den einzelnen Stein, da sind wir schon eine Ebene höher. Und, ganz ehrlich, wenn ich wiederholt lese, dass einige Hersteller von Sets extreme Probleme auf diesem Level haben, dann denke auch ich zweimal nach, bevor ich Geld fließen lasse. Witzigerweise hatte ich bei Billigpackungen mit Mengenangabe (Block Tech druckt sogar ein Inhaltsverzeichnis auf den Karton) noch nie fehlende oder verpfuschte Steine. Tja.

Wo ich allerdings grundsätzlich weniger nachdenke, das ist eben bei einem solchen Mitnehmangebot … hier in Irland etwa liefert Lidl seine Hausmarke Playtive (2020 wegen Corona etwas spärlicher), und in den verschiedenen Billigläden dies- und jenseits der Grenze findet man auch reichlich bunte Mischungen und kleine Spielsets. Ob nun Dealz/Poundland, Mr. Price, Choice, B&M, Poundstretcher oder Home Bargains (mehr fallen mir gerade nicht ein), in irgendeiner Ecke lauert fast immer etwas. Gerade in der dunklen Jahreszeit.

Und da gehe ich dann gerne auf Jagd, gönne mir auch mal die obskursten Sets, die weder von der Thematik noch von der Optik zur vollen Freude gereichen. Nein, ich schaue erstmal, ob da verwertbare Teile zu einem sinnvollen Preis drin sind, und dann wird zugegriffen. Auch wenn Herself gelegentlich schon mal ein unterschwellig kritisches „Und was willst Du jetzt damit?“ hören lässt. Murmele ich etwas von „reiner Teilespender, kostete nur € 1,50“ … ist die Diskussion meist auch schon beendet. Manchmal schnappt sie sich auch das Set, als kleine Fingerübung am Sonntagnachmittag. Sie is scho a Schätzle, gell?

Ein anderes Thema ist natürlich Kiloware – also echte Kiloware aus bunt gemischten Resten, nicht der Abverkauf von Kopierware. Solche Kiloware habe ich auch schon aus China kommen lassen, war ein wenig Forrest Gump und Pralinenschachtel, aber selbst da waren nur ein schlecht gespritzter und ein defekter (nach Zustand des Pakets irgendwann mal überrollter) Stein dabei. Wobei dies natürlich ein Glücksspiel ist: Sind die Sortimente im Discountangebot noch untereinander gleich, ist in der Kiloware nun wirklich das drin, was nach Schichtende noch rumlag. Aber wer mit drei Sandsäcken, einem Schäferhund und einer Handvoll rosa Blüten zwischen den normaleren Steinen leben kann, der kann durchaus Schnäppchen machen.

Wie auch immer, es bleibt die Frage: Habe ich mich bei solchen Billigsteinen nun wirklich schon einmal angeschmiert, gar absichtlich betrogen gefühlt?

Nein. Wirklich nicht. Denn ich erwarte keine Wunder, sondern brauchbares Basismaterial. Und ich habe schon lange begriffen, dass tausend Steine für weniger als einen Zehner schlichtweg bedeuten muss, dass die Größe 1×1 vor der Größe 2×4 den Vorzug beim Packen bekommt, dass Sondersteine eher die Ausnahme denn die Regel bilden, dass ich hier nicht mehr bekomme als das einfache Steinsortiment, das mir Oma und Opa für einem halben Jahrhundert auf den Gabentisch legten. Mit den Worten: „Und nun bau was Schönes draus!“

Denn die Magie des Klemmbausteins ist ja, dass man (fast) alles aus ihm machen kann, wenn man nur will. Und dass man selbst den ungeliebtesten Stein irgendwie, irgendwo, irgendwann noch einbauen kann, und wenn nur als subterrane Stützmauer im ewigen Dunkel.

Und genau das scheinen viele der Dauermeckerer über Billigsteine zu vergessen.