Die Legende von der Weißen Schlange … in LOZ-Version

Nachdem man ja lange als chinesische Kernkompetenz die Imitation von europäischen oder amerikanischen Produkten ansah, kommen aus dem Reich der Mitte immer mehr innovative Sachen. Auch in der Klemmbausteinwelt. Wobei sich dann Hersteller wie LOZ auch gerne im reichlichen Fundus der orientalischen Märchen-, Sagen- und Fantasywelt bedienen. Was im Westen ab und an nicht so recht verstanden wird. Aber die neuen Sets zu einem der bekanntesten Märchen Chinas sind wirklich gut.

Die Geschichte in Kurzform: Die uralte weiße Schlange Bai Suzhen (heute auch als Baishe Niangniang bekannt) rettet die jüngere grüne Schlange Xiaoqing (oder Qingqing), nimmt sie „Kleine Schwester“ an, gemeinsam ziehen sie in der Gestalt schöner Frauen durch die Welt. Irgendwann treffen sie auf den Gelehrten Xu Xian, der Bai Suzhen unter seinem Regenschirm vor einem Schauer bewahrt. Man verliebt sich, aber der buddhistische Mönch Fahai (weltlicher Name Pei Wende) entlarvt die wahre Gestalt der Braut, und prompt rafft es den Bräutigam mit einem Herzinfarkt dahin. Die zwei Schlangenfrauen aber finden ein ganz spezielles Elixir, erwecken Xu Xian wieder zum Leben. Also muss Fahai noch einmal Unruhe stiften, trennt die Liebenden wieder, aber am Ende wird alles gut. Bis auf für Fahai, der sich auf ewig in einem Krebs verstecken muss …

Je nach Zeitraum und Erzähler gibt es viele Versionen der Geschichte, vom reinen Horror-Roman bis zur romantischen Liebesgeschichte, auch die Intentionen und Bewertungen der einzelnen Figuren können sehr unterschiedlich sein. Dennoch (oder gerade deswegen) ist die Legende von der weißen Schlange eines der beliebtesten chinesischen Märchen. Und vielfach adaptiert – in der chinesischen Oper, als Spielfilm, und in mehr als einem Dutzend teils sehr umfangreicher Fernsehserien. Für viele Chinesinnen sind die jeweiligen Versionen ihrer Kindheit und Jugend das, was „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ in Deutschland ist … schlicht nostalgischer, eskapistischer Kult. Gut so.

Und nun hat LOZ sich der Legende und ihrer Hauptfiguren angenommen, als vierteilige Serie im platzsparenden „Ministeine“-Format … also etwa zwei Drittel des bekannten Lego-Steins. Wobei mir auffiel, dass hier teilweise auch Steine nachgebildet wurden, die meines Wissens nach bislang nur Cobi im Sortiment hatte. Und, gleich positiv vermerkt: Die Teile sind oft sehr gut bedruckt, Aufkleber gibt es insgesamt nur sechs Stück, die schlicht unvermeidbar waren, aber auch weggelassen werden können. Bezugsmöglichkeit? Entweder als Selbstimport direkt aus China via AliExpress, oder demnächst (was immer das heißen mag) auch in Deutschland bei BB Services („BlueBrixx“).

Kommen wir erstmal zu den zentralen Figuren, dem glücklichen Paar Bai Suzhen und Xu Xian … sehr schön dargestellt auf einer Brücke (jeder Figur wird genau die Hälfte mitgeliefert), und Zu Xian natürlich mit einem sehr schön gestalteten und erstklassig bedruckten Regenschirm.

Farblich sind die Figuren durchaus ansprechend gestaltet, und mit einem großen Fundus an Kleinteilen und interessanten Baumethoden entstehen schöne, im Prinzip auch sofort zu erkennende Modelle. Aber alles hat seine Grenzen: Der Fächer Bai Suzhens wird mit zwei runden Aufklebern verziert, und auch ihr Gürtel ist ein Sticker. Wer sich darüber nun ärgert, mag diese Verzierungen schlicht weglassen, es geht auch ohne … nur nicht so schön.

Die kleine Schwester Xiaoqing und der Widersacher Fahai sind etwas einfacher gestaltet … zumindest im Bodenbereich, sie stehen auf schönen Sockeln. Vergleicht man das nun mit älteren Sets, etwa zur „Reise in den Westen“ oder (etwas jünger) zur chinesischen Opernwelt, beide vom selben Hersteller, dann nimmt die Komplexität, aber auch die Qualität der Modelle ständig zu.

Xiaoqing setzt auf eine deutlich jugendlichere Optik als die erwachsenere Bai Suzhen, wobei mir die Lösungen in der Darstellung der Haartracht besonders gut gefielen. Auch sie hat drei Aufkleber, wieder für den verzierten Fächer und den Gürtel, die gleichen Bemerkungen wie bei ihrer „Älteren Schwester“ gelten auch hier.

Fahai dagegen war ein Graus … nicht an sich, die Figur ist gut gelungen, vor allem die aus verschiedenen bedruckten Steinen zusammengesetzte Mönchsrobe und sein Stab sind phantastisch. Aber der Hut hat es in sich. Denn die ungewöhnliche Form wird nur dadurch erreicht, dass zwei abgeschnittene Stücke flexiblen Plastikrohrs eingesetzt werden. Die angegebenen Längen sind meiner Meinung nach viel zu kurz, die Stabilität bleibt aber so oder so zweifelhaft. Da aber nun die Figuren ja eher nicht „bespielt“ werden, liegt der Deckel bei meinem Fahai mehr oder minder locker auf, wird vor allem durch die Schwerkraft gehalten. Gut aussehen tut er allemal.

Kaufempfehlung? Unbedingt, wenn man die Ministeine mag, und wenn man ein Faible für chinesische Kultur (oder einfach nur bunte Figuren) hat.

Wenn wir aber gerade beim Faible für chinesische Kultur sind, dann muss ich mal wieder über die Einkaufspolitik bei BB Services sinnieren … und zwar anhand eines Screenshots von der LOZ-Seite der Flörsheimer. Unter den Ankündigungen ganz am Ende der Seite finden wir auch die Sets zur Legende. Naja, fast …

Was ist denn hier los? Da fehlt (zumindest im Moment) schlichtweg die Hauptfigur, ihr Geliebter und zwei Nebenfiguren stehen mehr oder weniger unmotiviert in der Gegend herum, selbst die Brücke erinnert allenfalls an einen alten Matchbox-Panzerbausatz. Noch dazu werden die Figuren mit der Anmerkung „Charaktername im Spiel“ recht merkwürdig erklärt.

Gut, solche falschen Bezeichnungen kennen wir bei BB Services schon, fehlende Kenntnis der Materie oder auch lost in translation. Und dass man aus einer in sich logisch geschlossenen Serie nur Teile anbietet, auch nicht unbekannt, das führte in meinem Fall schon bei Balody zum Eigenimport der Komplettserie „Glücksgötter“. Aber die Legende von der Weißen Schlange ohne Bai Suzhen? Ganz ehrlich, liebe Leute, das ist wie Bremer Stadtmusikanten ohne Esel, wie Beatles ohne John Lennon, wie Skat ohne Pik … irgendwie nix Halbes und nix Ganzes, letztlich ein Scheißspiel.

Und ich frage mich, ob die chinesischen Lieferanten Kunde Klaus zwar mit deutscher Nationalhymne begrüssen, bei seinem Abgang dann aber belustigt den Kopf schütteln – hat doch der Gweilo mal wieder eine dreibeinige Katze im Sack gekauft. Vernünftige Beratung wäre ein kurzer Hinweis darauf, dass die vier Teile der Serie nun einmal zusammen gehören. Es sei denn, hier wird bewusst Überproduktion abgestoßen. Ich weiß es nicht.