Des Führers Feuerlöschpanzer – gab es ihn wirklich?

Eine der wildesten Geschichten, die mir jemals im Bereich „Feuerwehr-Historik“ begegnet sind, ist das angebliche Vorhandensein deutscher Feuerlöschpanzer im Zweiten Weltkrieg – gerne wird davon gemurmelt, während handfeste Beweise für die bloße Existenz dieser Großgeräte nach wie vor zu fehlen scheinen. Angebliche Entwürfe und zweifelhafte „Beweise“ geistern durch die Literatur, aber die gibt es ja auch zu „Reichsflugscheiben“. Doch wer sucht, der findet: Ein Fachbuch zeigt schließlich tatsächlich ein Bild des Panzerfahrzeugs im Rettungseinsatz! Oder doch nicht?

Die Panzer bei der Feuerwehr

Bei dem fraglichen Werk handelt es sich um den schmalen, aber wegen einer Vielzahl von Bildern bei günstigem Preis doch ganz wertvollen Band „Feuerwehrfahrzeuge im Einsatz 1939–1945 – Feuersturm und Wassergasse“ (Erstausgabe Wölfersheim-Berstadt bei Podzun-Pallas 1994, mein Exemplar Lizenzausgabe aus dem Nebel-Verlag unter dem Label „Dörfler Zeitgeschichte“, ohne Ort und Jahr) von Michael Foedrowitz. Und da findet sich im hinteren Teil ein etwas verwirrender Abschnitt „Flammenwerfer und Feuerlöschpanzer“.

Der (Feuerwehr-relevante) Text auf Seite 189 im Original:

1944 wurde der Plan erwogen, Feuerlöschpanzer bei Flächenbränden und in unzugänglichen Trümmerlandschaften einzusetzen. Dazu wurden auch verschiedene Beutefahrzeuge umgebaut: der italienische Panzer Fiat Ansaldo L 33/35 (sic!), der sowjetische T-20 und das deutsche Halbkettenfahrzeug Sd. Kfz. 251/16 (sic!). Diese Fahrzeuge sollen am 8. Juni 1944 in Luckenwalde einer Expertengruppe vorgestellt worden sein. Das Sd. Kfz. 251/16 sollte mit einem 700 l Wassertank, eine (sic!) Tragkraftspritze und 2 Wenderohren ausgerüstet werden. Man habe gedacht, so Brunswig, dieses Fahrzeug als „eine Art Wassergasse“ bei der Menschenrettung aus Großbrandgebieten einzusetzen. Es soll aber nicht zum Einsatz gekommen sein.

Das klingt zwar für den Laien recht fundiert, ist aber für den Experten eher zum Nachdenken anregend.

Beginnend beim ersten Fahrzeug, dem angeblichen Fiat Ansaldo L 33/35 … den es so nie gab. Gemeint ist hier der Fiat Ansaldo L3, der in zwei geringfügig unterschiedlichen Ausführungen L3/33 und L3/35 als Tankette gebaut wurde, eine Art mobiler MG-Stand mit gerade einmal 300 cm Länge, 140 cm Breite. Tatsächlich gab es den aber auch ein einer Ausführung „Lanciafiamme“, also mit Flammenwerfer. Und bei Koebe in Luckenwalde, heute baut hier Rosenbauer Feuerwehren, wurden Flammenwerferfahrzeuge hergestellt (was man heute nicht unbedingt mehr an die große Glocke hängt).

Der T-20 „Komsomolets“ ist ebenso eine Finte, denn auch er war kein echter Panzer, sondern ein Schleppfahrzeug, 246 cm lang und 186 cm breit. Teilweise wurde er als Beutefahrzeug mit einer Pak 36 versehen, auch hier erscheint ein Flammenwerferaufbau möglich.

Das Halbkettenfahrzeug Sd.Kfz. 251 war so eine Art Universalfahrzeug bei Wehrmacht und Waffen-SS, kam als Mannschaftstransporter, Waffenträger, Krankenwagen und sogar Brückenleger zum Einsatz. Die Nummer hinter dem Schrägstrich gab nähere Auskunft … und die 16 stand für eine Bewaffnung mit Flammenwerfer. Gebaut unter anderem bei Koebe in Luckenwalde. Für den textlich skizzierten Umbau wäre das Fahrzeug sicherlich teilweise geeignet gewesen. Aber den hätte man auch mit den kleineren, an der Front weniger attraktiven Beutefahrzeugen erreichen können, wenn das Löschwasser in einem Anhänger geschleppt worden wäre.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte?

Aber was wird uns tatsächlich zum Thema gezeigt? Eine Abbildung mit dem Text „Entwurf eines Feuerpanzers (sic!) für 3 Mann Besatzung und Krümmern (sic!), 1944″. Quelle? Nach Foedrowitz die „Slg. Nase“, aus der auch ein auf derselben Seite abgedrucktes Werksfoto (?) von Koebe stammt. Ob man nun daraus schließen kann, dass beide Bilder aus der Sammlung dieselbe Herkunft haben? Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Aber, egal wo das Bild seinen Ursprung hatte: Das soll es also nun sein? Denn mit etwas Wissen über Wehrtechnik kann der Leser sofort erkennen, dass die Abbildung in keinerlei Bezug zum oben zitierten Text steht. Dazu kommt, dass selbst beim besten Willen, unter Berücksichtigung der schlechten Archivlage und noch schlechteren Kopiertechnik früherer Zeiten dieses „Originalbild“ (das offensichtlich eine sehr primitive Fotokopie ist) sofort Misstrauen erweckt. Meines zumindest. Das sich beim Blick ins Detail schnell verfestigte … also schauen wir uns einige Details der Abbildung doch stückweise und in Ruhe an.

Welches Panzerfahrzeug diente als Fahrgestell?

Erste nüchterne Feststellung – hier wurde geschlampt, denn die Kettenabdeckung liegt so eng an und tief, dass realistisch kein Platz mehr für die Kette da ist. Die drei angedeuteten Stützrollen sind eigentlich schon fast abgeschnitten. Am ehesten ähnlich sieht das Laufwerk mit den schemenhaft zu erkennenden Details einem deutschen Panzer III. Und dabei den Untertypen B, C oder D … Tendenz zu C oder D, wobei von den drei Varianten zusammen insgesamt ohnehin nur 55 Stück gebaut wurden. 1944 dürften die meisten bereits verschlissen und verschrottet gewesen sein.

Eines ist jedoch absolut sicher: Mit den im Text genannten Tanketten, Schleppern und Halbketten hat dieses Fahrgestell absolut nichts zu tun. Und noch etwas kann man feststellen, nämlich die kreative Leistung des Bildmachers … die Kette (und in Folge die schlecht passende Kettenabdeckung) ist in etwa dreimal so breit, wie die des Panzer III. Die entspräche nämlich ziemlich genau dem helleren Bereich vorne. Kurzum, so wie dargestellt ist das Fahrwerk ein Fake.

Die Sache mit der Beschriftung …

Verglichen mit unumstrittenen Bildaufnahmen der Zeit ist die Türbeschriftung viel zu gross, erscheint auch verzerrt, perspektivisch nicht ganz zum Aufnahmewinkel passend. Zudem ist das Wort „Feuerschutzpolizei“ seltsamerweise getrennt worden. Insgesamt auch hier mehr eine künstlerische Leistung denn echte Dokumentation. Zudem solch ein absolut unwichtiges, weil rein dekoratives, Detail bei einem technischen Entwurf meist fehlt.

Voller Durchblick mit wenig Sicherheit

Apropos Türbeschriftung – der angebliche „Feuerpanzer“ scheint wirklich Türen angedeutet zu haben, man hätte eher Ausstiegsluken erwartet. So weit, so ungewöhnlich, aber angedeutet sind auch große Sichtfenster sowohl in diesen wie auch an der Fahrzeugfront. Wiederum gegen herabfallende Trümmer gesichert durch recht massive „Jalousien“ oder auch Metallgitter. „Typical German overengineering“? Realistisch? Die weitaus meisten wirklich aus Kampfpanzern umgebauten Löschfahrzeuge behielten die immerhin gefechtstauglichen, kleinen Sehschlitze bei.

Allerdings sind einige moderne chinesische Löschpanzer tatsächlich mit solchen „Jalousien“ und relativ großzügigen Sichtfenstern ausgestattet. Wobei man davon ausgehen kann, dass hier extrem stabiles Glas gewählt wurde. Sowas wäre 1944 wahrscheinlich eher der Produktion von U-Booten oder Flugzeugen zugeleitet worden.

Sind so kleine Strahlrohre …

Ist die Fensterfront gerade noch im Bereich des Möglichen (wenn auch nicht des Wahrscheinlichen), kommen mir die zwei angedeuteten Strahlrohre (die übrigens im Innenbereich ohnehin die Türfunktion behindern dürften) doch etwas schmal vor. Das kann aber wieder ein Resultat der insgesamt miserablen Bildqualität sein. Ihre schlechte Positionierung und der wahrscheinlich dadurch auch noch sehr begrenzte Schwenkbereich jedoch lassen bei mir die Vermutung aufkommen, dass hier nicht unbedingt ein technisch wirklich versierter Fachmann am Werk war.

Dazu kommt der Eindruck, dass hier schlicht MG in Kugelblenden retuschiert wurden. Es scheint, als ob mit Collagetechnik gearbeitet wurde.

Mehr Licht!

Ich kann diese riesige Scheibe an der Vorderfront des Fahrzeugs eigentlich nur als Scheinwerfer interpretieren, auch wenn das Teil sehr flach erscheint und mehr an ein Tambourin erinnert. Zwei weitere, kleinere eventuelle Scheinwerfer sind an den oberen Aufbauecken erkennbar, auch sie sind sehr flach und daher nicht genau einzuordnen. Diese Details bekräftigen den Eindruck einer hastig zusammengeschusterten Bildcollage, die von einem technischen Entwurf meilenweit entfernt ist.

Krümmer gehts nimmer?

Die zwei Teile, die Foedrowitz im Buch wiederholt als „Krümmer“ identifiziert, sollen wohl Schlaucharmaturen sein, die einen gefächerten Wasserstrahl erlauben – ihre Positionierung auf dem Fahrzeug dient jetzt entweder dem reinen Transport, oder der Eigensicherung (auch die in China nach Plänen von Chen Songhe umgebauten T-34 Löschpanzer besprühten sich selbst mit Wasser), oder … dem Erstangriff mit Hilfe der Drehleiter, auf der sie montiert sind?

Eine veraltete Drehleiter?

Wieder einmal ist zu bemerken, dass die Abbildung schlicht schlecht ist! Denn der Panzer scheint auf dem Heck eine Drehleiter installiert zu haben. Diese aber ist optisch eher an 1944 bereits veraltete (und noch dazu kurze) Leiterparks erinnernd, und erscheint zudem auch nicht mittig montiert. Wobei letzteres Detail schon fast egal ist, denn so wie gezeigt wäre die Drehleiter direkt auf dem Motorraum des Fahrzeugs untergebracht, was eine Reparatur oder Wartung zum Alptraum gemacht hätte. Dass man bei einer wie hier gezeigten Höhe des Motorraums den Panzer hätte komplett umkonstruieren müssen, oder andere Motoren einbauen, ist dann nur noch das Sahnehäubchen auf dem Kuchen der Unglaubwürdigkeit.

Ob nun neue oder alte Drehleiter, mit oder ohne darauf montiertem „Krümmer“ – ähnlich wie schon bei der oben aufgezeigten Fahrgestell- und Kettenproblematik entbehrt der vorliegende „Entwurf“ somit jeder technischen Realitätsnähe allein schon beim „genutzten“ Basisfahrzeug. Da sind dann viele andere Details fast kaum noch ernsthaft einer Diskussion würdig.

Und was fehlt ganz offensichtlich?

Eines dieser Details … dem Fahrzeug fehlt schlicht ein Räumschild! Wir reden hier von einem „Feuerpanzer“, der in von Trümmern gekennzeichneten Stadtlandschaften eingesetzt werden soll. Dabei wahrscheinlich auch Versorgungsschläuche hinter sich her ziehen muss. Und dem, im Idealfall, konventionelle Fahrzeuge und/oder zu Fuss Flüchtende folgen sollen. Eben dafür bedarf es aber der Möglichkeit, zumindest kleine bis mittelgroße Trümmer aus dem Weg schieben zu können. Der Panzer selber könnte gewiss einige Trümmerberge überklettern, aber alle(s) hinter ihm?

Ein Fazit …

Wenn man nun diese ganzen Einzelpunkte betrachtet, dann ist nur ein Schluss möglich: Der von Foedrowitz in der Sammlung Nase aufgespürte „Feuerpanzer“ mit indirektem Bezug zu Koebe ist ein „Dokument“, mit dem der Leser letztlich an der Nase herumgeführt wird. Denn die „Aufnahme“ ist offensichtlich eine minderwertige Fotokopie einer Bildcollage, bei der Versatzstücke teilweise verzerrt, aber recht phantasievoll kombiniert wurden. Hier von einem „Entwurf“ zu reden, das ist weit zu hoch gegriffen. So etwas würde man im Englischen eher „Artist’s Impression“ nennen, wobei hier nicht unbedingt ein Leonardo da Vinci am Werke war.

Böse Absicht? Glaube ich kaum, aber vielleicht etwas in Gutgläubigkeit über das Ziel hinausgeschossen …

Der meiste Text auf Seite 189 dreht sich ohnehin um die Flammenwerfer-Produktion bei Koebe, ein diametral entgegengesetztes Thema. Und die zwei Nase-Bilder machen das Buch nicht runder, besser, im Gegenteil. Der „Feuerpanzer“ lässt Misstrauen aufkommen. Kurz und gut: Hätte ein aufmerksamer Lektor die Seite aus dem Buch gestrichen, es wäre kein Schaden gewesen. Allerdings sind dem Lektorat auch andere Schnitzer durchgegangen, wenn man den Band aufmerksam liest.

… oder doch nicht?

Ganz ausschließen will ich aber nicht, das irgendwer um 1944 solche Überlegungen angestellt hat – denn Panzer als Feuerwehr, das gab es, das gibt es (allerdings durchweg wohl erst nach 1945). Nur der „Entwurf“ in Foedrowitz‘ Buch, er überzeugt nicht, wird auch textlich keineswegs untermauert. Und so halte ich dieses Fahrzeug nach heutigem Stand für eine Legende. Lasse mich jedoch gerne eines Besseren belehren …