Der Streit um die Lego-Minifigur einmal nüchtern betrachtet …
Mittlerweile müsste es auch der letzte irgendwie mit Klemmbausteinen in Berührung kommende Mensch mitbekommen haben – das böse Lego-Imperium schlägt zurück, wenn es um Minifiguren geht. Bei den lustigen Kerlchen aus in der Regel zehn Teilen ist in Dänemark Schluss mit Lustig. Das haben unter anderem Händler wie BB Services spüren müssen, denen der Vertrieb von „alternativen“ Figuren untersagt wird. Was ist da los? Dürfen die das?
Informationen zu der ganzen Geschichte gibt es am ehesten von denen, die sich als Opfer sehen: Importeure und Händler von Klemmbausteinsets, in denen Figuren enthalten sind, die Lego gegen den Strich gehen. Man gibt sich als tief betroffen, klagt laut, versucht vielleicht noch dieses oder jenes Schlupfloch zu finden, und stellt sich insgesamt als ein ganz armes Würstchen dar, dass in einem Billunder Hot Dog vertilgt werden soll. Und die Fans schäumen vor Wut, how dare you, Lego?
Allerdings … eigentlich kann zumindest ich die Dänen verstehen, denn man tanzt ihnen doch recht frech auf der Nase herum. Auch wenn man sich manchmal anscheinend absichtlich als extra dumm hinstellt.
Die Rechtslage zur Minifigur … eigentlich ganz einfach?
Worum es geht, das ist schnell zusammengefasst: Lego hat vor einigen Jahren das optische Grunddesign der Minifigur als Marke schützen lassen. Europaweit. Das ist ein ganz normaler geschäftlicher Vorgang, an dem es nichts auszusetzen gibt … zumal ja hier ein eigener Entwurf rechtlich abgesichert wurde.
Konkret bedeutet das, dass eine Beispielzeichnung hinterlegt wurde, anhand der die wesentlichen Merkmale der „Legofigur“ festgehalten sind. Also die spezifische Form der äußeren Erscheinung, nicht dagegen die technische Ausführung, die Farbe und weitere Details. Es geht ja auch nicht um ein Patent. Mit der Annahme dieser Marke durch die Behörden kann der Inhaber dann künftig gegen alle Mitbewerber rechtlich vorgehen, die eine optisch zum Verwechseln ähnliche Sache auf den Markt werfen. Wer mehr braucht – einfach mal zum DPMAregister surfen …

Wichtig dabei: Die angreifbare Sache muss nicht wirklich zu 100% identisch sein, denn es geht zum einen nur um die Optik, zum anderen um die Wirkung dieser auf die allgemeine Öffentlichkeit. Deswegen reicht auch eine relativ einfache Zeichnung im Register, ohne alle konkreten Größenangaben. Eine Minifigur aus Ostasien wird in dem Moment rechtlich relevant, in dem Hinz und Kunz beim ersten Anblick „Legofigur“ zu ihr sagen. Und zwar weil die Figur selber so ähnlich ist, dass sich der Vergleich geradezu aufdrängt … nicht weil sie irgendwie technisch zu Klemmbausteinen passt.
Kurzum: Was einer Lego-Minifigur in den Augen eines Laien ähnlich ist, kann von Lego rechtlich angegriffen werden.
Ist die Minifigur von Lego nicht selbst eine Kopie?
Gleich vorweg: Bei der Anmeldung einer Marke, eines Warenzeichens, interessiert die intellektuelle Eigenleistung absolut nicht – so konnte eine deutsche Interessenvertretung im Bereich „Rettungsdienst“ das seit Jahren gebräuchliche, in den USA extra ohne Rechte bestehende Zeichen des „Star of Life“ zu ihrem Eigentum machen. Aus einem universellen Rettungsdienstsymbol wurde so ein privates Markenzeichen.
Von Fakten unbeleckt behaupten einige Menschen allerdings gerne, dass Lego ja gar keine Rechte an der Minifigur haben könne, da diese schließlich eine Kopie der Playmobil-Figur sein. Aha? Gut, die auf den ersten Blick kaum auffallenden Unterschiede zwischen den Figuren lassen wir mal außer Acht … aber Playmobil konnte ja den Gerichten schon im Streit mit den Play-Big-Figuren nicht erklären, warum und wieso.

Bei einem Rechtsstreit mit Lego hätten die Richter wahrscheinlich auch kaum Playmobil als Gewinner davonziehen lassen. Wobei Horst Brandstätter ja auch nie so einen Streit vom Plastikzaun brach. Die ersten Legofiguren kamen übrigens fast zeitgleich mit Playmobil auf den Markt, erst später bekamen sie jedoch konsequent echte Arme und Beine sowie einen bedruckten Kopf. Was vielleicht eher von Play-Big inspiriert gewesen sein mag (separat bewegliche Beine). Von einer „Kopie“ aber scheint nur der kurze deutsche Wikipedia-Eintrag zur „Minifig“ zu reden … der wesentlich ausführlichere englische Eintrag versteigt sich nicht zu so einer Behauptung.
Das soll doch ein Mensch sein, das geht gar nicht anders!
Ein anderes Schein-Argument, mit dem die Zweifler an Legos Rechten ins Gefecht ziehen … und der Gipfel des Unsinns, der auch oft mit der Formel „Kopf-Körper-Arme-Beine“ ausgedrückt wird. Und argumentativ bestätigen soll, dass „man einen Menschen technisch gar nicht anders nachbilden kann“. Doch, kann man, und selbst eine Klemmbaustein-Lösung muss nicht dieselbe Optik wie eine Minifigur von Lego haben. Das hat Lego schließlich selbst bewiesen, als man die „Friends“-Figuren einführte (also die hauseigene „Mädchen-Serie“, nicht Jennifer Aniston und Konsorten).
Nun kann man sagen, dass ein Klemmbaustein-Mensch irgendwann immer einem anderen Klemmbaustein-Menschen ähnlich sehen muss … eine lebensgroße Statue von Usain Bolt in Siegerpose etwa wird, ob von Xingbao oder Lego konstruiert, auf den ersten Blick identisch sein. Stimmt. Erst beim näheren Hinsehen kann man erkennen, dass da vollkommen unterschiedliche Bautechniken und ein anderes Steinesortiment verwendet wurden.
Dennoch: Nein, eine stilisierte, verkleinerte und verniedlichte Nachbildung eines Menschen kann, muss aber nicht der Lego-Minifigur zum Verwechseln ähnlich sein, das ist Unsinn. Kopf, Körper, Arme und Beine kann man schließlich in fast unendlichen Variationen und Kombinationen darstellen. Aber wenn man als Hersteller eine Nachbildung eines Menschen entwirft, die vier Steine hoch und in der Körpermitte zwei Steine breit sowie einen Stein tief sein soll, die (mindestens) alle technischen Möglichkeiten einer Lego-Minifigur haben soll, und die generell auch in Sachen Zubehör Kompatibilität aufweisen soll … ja, dann landet man tatsächlich schnell bei einer Pseudo-Lego-Figur, die nur noch Fachleute vom Original unterscheiden können.
Aber da gibt es doch ein Dutzend Unterschiede, schaut mal!
Apropos Fachleute … der Paderborner Klemmbausteinimporteur und -händler Thorsten Klahold („Steingemachtes“ und „Johnny’s World“) hat ja mal in einem Werbe- und Verteidigungsvideo mehr als ein Dutzend Unterschiede zwischen einer Lego-Minifigur und einer Xingbao-Variante aufgezeigt. Um darauf hinzuweisen, wie ungerecht Lego doch kleine Händler behandle.

Alles, was er in dem Videoclip sagt, ist richtig … aber er sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wie viele Fans alternativer Klemmbausteine es auch nicht können. Denn da bleibt der Blick auf kleinen Details kleben, während das Gesamtbild vernachlässigt wird. Und im ganzen Komplex Marken- und Warenzeichenschutz geht es nicht um minimalistische Änderungen, sondern um den ersten Eindruck, den Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher haben.
Haltet doch mal den Xingbao-Zwerg einem beliebigen Menschen auf dem Stuttgarter Marktplatz vor die Nase: „Ha, des isch a Lego-Figürle, gell?“
Ja, dann soll Lego doch die Chinesen verklagen!
Tun sie, wenn es geht … Lepin etwa wurde der Garaus gemacht, weil man allzu dreist kopierte, da konnten nicht einmal chinesische Gerichte mehr tun, als ob so viel Frechheit den Kopf zu schütteln. Nur ist das bei der Minifigur ein anderer Fall: Diese ist in China nicht rechtlich geschützt! Und deswegen ist die Produktion im Reich der Mitte gar kein Problem, so lange die Ware eben nicht als „Lego“ angeboten wird.
Anders liegt der Fall, wenn diese Ware nun in Europa feilgeboten wird … und daran sind eben die Importeure gescheitert. Sie bringen eine in China ohne gegen dort geltendes Recht zu verstoßen hergestellte Ware auf einen Markt, auf dem diese Ware nach geltendem Recht eben nicht vertrieben werden darf. Ende der Diskussion. Man kann ja auch nicht alle Coffee Shops in Amsterdam abgrasen und dann in Ahlen den Dummen spielen, wenn man ob des erklecklich gefüllten Säckchens zum Gespräch auf der Wache gebeten wird.
Zusammenfassung: Lego haut hier weniger auf die „kleinen Händler“ ein, als dass die Firma ihre bestehenden Rechte korrekt durchsetzt. Wer das als Rechteinhaber nicht macht, sollte seine Arbeit am Besten gleich unter CC-Lizenz komplett freigeben. Und den Laden dichtmachen.
Gretchenfrage zu Sinn und Unsinn der Minifigur an sich …
Sind Minifiguren wichtig oder gar unverzichtbar? Das ist eine gute, nur subjektiv zu beantwortende Frage, denn wer keine Minifiguren braucht, den interessiert das ganze Thema eigentlich nicht. Ausser, man muss mal wieder Lego-Bashing betreiben. Aber ich gebe es zu, ich habe die kleinen Kerlchen in mein Herz geschlossen, für mich gehören sie zur Klemmbausteinwelt einfach dazu. Weswegen ich ja auch thematisch passende Figuren für meine chinesische Sammlung in China ordere. Immer mit dem Risiko, dass der Zoll da mal zugreifen könnte, denn ich bewege mich in einer Grauzone. Wobei ich nicht Billigkopien des Preises wegen ordere, sondern so gar nicht in Europa erhältliche Figuren.
Kurioser Nebeneffekt: Meine definitiv als „Chinesen“ einzuordnenden Figuren haben alle fleischfarbene Gesichter, meine „Mitteleuropäer“ dagegen gelbe.
Lego hatte die Minifigur nämlich ursprünglich als ethnisch nicht einzuordnen entworfen, daher Gelb als Hautfarbe. Was dann spätestens beim ersten erkennbar „schwarzen“ Lizenzprodukt, ich glaube es war Lando Calrissian, scheiterte. Das ist analog zu den „Simpsons“, bei denen auch alle in Gelb daherkamen, bis der erste „Farbige“ dazukam. Bei Lego hatte der Farbwechsel übrigens nichts mit dem Lizenzthema zu tun (wie es heute die Regel ist) … irgendwo habe ich noch Luke Skywalker und Obi-Wan Kenobi mit gelber Haut, aus dem Landspeeder von 1999.
Und nun? Wer ist der Böse, wer das Opfer?
Ach, was soll’s … eigentlich ist schon alles gesagt: Lego hat bestehende Rechte (gegen die Klaus Kiunke von BB Services rechtlich anzugehen versucht – Best-Lock (Europe) Ltd. war damit schon 2014 und 2016 gescheitert), diese bestehenden Rechte muss Lego auch verteidigen. Ganz klar. Da hilft auch kein Lamento der Mitbewerber, der Importeure, der Influencer, oder der AFOB-Gemeinde (zumindest des Teils, dem AFOL schon per se suspekt und als „Fanboys“ verachtenswert sind).
Es gibt keinen Bösewicht, sondern nur einen Rechteinhaber. Ist so wie bei Metallica und Napster … eben nicht für jeden Menschen verständlich.
Und Opfer … ja, gibt es die wirklich? Oder doch nur Firmen, die nicht wie etwa Mega Construx oder Cobi etwas Eigenes auf die Reihe kriegen?
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Kleines PS: Da an anderem Ort unter anderem immer wieder der Einwurf kommt, Lego sei schon lange kein Markenname mehr, sondern ein Gattungsbegriff (was mit dem Markenrecht bei der Minifigur nix zu tun hat, aber gut, dass es mal gesagt wurde) … hier eine mehr juristische Betrachtung dieses Nebenkriegsschauplatzes.