Der Steinpreis ist Sch… heiß?

Wenn es um die korrekte Einschätzung eines Sachverhaltes geht, dann fliegt die Realität oft so schnell aus dem Fenster, wie man „Meinung“ sagen kann … vor allem, wenn man seine vorgefasste Meinung bestätigt haben will, und daher vollkommen irrationale Argumente anführt. Was ich im Hobbybereich „Klemmbausteine“ immer wieder beobachte. Denn da wird der Preisvergleich oft auf das Schein-Argument „Steinpreis“ reduziert.

Das ist eben die Kunst, Äpfel und Birnen zu vergleichen, und dann aus deren aktueller Marktlage messerscharf den Preis für Pomelos zu errechnen. Denn: Ein Stück Obst muss ja immer dasselbe kosten. Klar, jeder Dollarschein hat ja auch exakt denselben Wert, egal wessen Gesicht ihn nun ziert. Und zehn thailändische Baht haben in Wuppertal dieselbe Kaufkraft wie zwei Euro … guck doch mal hin!

Kostet alles dasselbe ... nicht.
Kostet alles dasselbe, gell?

Und so echauffieren sich dann Leute, wenn ein Set mit 1200 Steinen mehr kostet als ein Set mit 1500 … denn, „da stimmt doch etwas mit dem Steinpreis nicht!“ Buh, böser Verkäufer!

Einmal davon abgesehen, dass solche Leute nie und nimmer begreifen, dass ein Endprodukt nie und nimmer mit dem Rohmaterial im Preis identisch ist, dass in eine Preiskalkulation so viel Faktoren einfließen, dass man das als Laie nicht wirklich auf Heller und Pfennig nachvollziehen kann … meinen diese Menschen eigentlich auch, dass ein „Stück Schokolade“, ob nun von Hachez oder Aldi, ob mit oder ohne Nuss, ob Fairtrade oder Neokolonialismus, ob Handteller-gross oder mit der Lupe zu suchen, auf jeden Fall immer zwölf Cent kosten muss? Oder, anders gefragt: Wurde hier jemand mit dem Klammerbeutel gepudert?

Ich versuche mal, das Problem zu erklären: Wie oben zu sehen, nicht jeder Klemmbaustein ist gleich. Und man kann einen 2×4-Stein durch acht 1×1 Steinchen ersetzen. Umbauter Raum derselbe. Wenn ich nun aber für den großen Stein acht Cent kassieren würde, und für die kleinen auch jeweils dasselbe, dann wäre der Aufschrei gross. Geht ja gar nicht, ist doch vollkommen was anderes. Sind aber in einem Set achthundert 1×1 und ich kassiere dafür zwanzig Euro (das ist ein „Steinpreis“ von zweieinhalb Cent), dann soll ein Set mit achthundert 2×4 plötzlich auch einen Zwanni kosten. Weil … Steinpreis, klar?

Wobei ich jetzt noch nicht einmal berücksichtigt habe, dass bestimmte Sonderformen durch den Formenbau schon mehr kosten müssen, dass die Zahl der insgesamt produzierten Steine einer Art den Preis mitbestimmt, dass bestimmte Farben schlicht teuer in der Herstellung sind, dass die Arbeitsbedingungen und Gehälter aller Mitarbeiter eine nicht unwesentliche Rolle in der Kalkulation spielen. Um es mal saisonal anders zu sagen: Natürlich ist eine in einer Behinderteneinrichtung bei Wernigerode in Kleinserie hergestellte Weihnachtskarte aus nachvollziehbaren Gründen teurer als die Supermarktware, die von Zwangsarbeitern irgendwo am Ende der Welt in Massen produziert wird. Wobei man noch nicht einmal so drastisch denken muss … aber man muss denken. Ich weiß, da hapert es heute schon oft, im postfaktischen Zeitalter, in dem nur noch Geiz so geil wie nix anderes ist. Und in dem man auf Facebook sofort nach einer Lego-Ankündigung beim chinesischen Händler anfragt, wann denn endlich die billige, illegale Kopie kommt.

Wie auch immer … das Gelaber vom „Steinpreis“ ist sinnlos, oder eben etwa so sinnvoll wie die Diskussion um den korrekten Preis eines Stückes Schnur. Oder, wie Herself es neulich mal sagte, als ich zögerte, ein Komplettset von zwölf Figuren direkt aus China zum Preis von 2,50 € pro Stück, inklusive Porto und Originalverpackung, zu bestellen: „Ähm, diese Wundertütchen von Lego kosten aber schon eine Ecke mehr, oder?“ Und, das sage ich nach Erhalt der Ware, sind auch qualitativ schlechter.

Also, Kernfrage: Ist mir ein Set den Preis wert, oder eben nicht? Und wenn ich der Meinung bin, dass der „Steinpreis“ zu hoch sei … dann sollte ich doch bitte die Steine einzeln kaufen und das Modell selbst nachkonstruieren.