Das Teuflische steckt im Detail … auch an der Decke
Manchmal glaubt der geneigte Museumsbesucher, seinen Augen nicht trauen zu können. Im Alten Schloss von Stuttgart etwa, wenn er eine pornographische Taschenuhr entdeckt. Oder auch im Slott Gottorp (das ist das Schloss Gottorf bei Schleswig, falls man kein Platt kann), wenn ihn BDSM vom Feinsten als Dekor erwartet. Was die Wikipedia als „mit Jagdmotiven geschmückt“ nennt. Na dann, Waidmanns Heil!
Der sogenannte „Hirschsaal“ neben der prachtvollen Kapelle wurde im Jahre 1591 im 1. Obergeschoss eingerichtet und reich dekoriert, die üblichen Attribute der norddeutschen Renaissance sind reichlich vorhanden, und man hat erstmal den Eindruck eines ausschweifenden, schwelgerisch ausgestatteten „Jagdzimmers“. Zumal der Blick durch die Fenster auf das alte Jagdrevier geht. Hier konnten die Schlossherren ihren Gästen Geschichten von den kapitalen Böcken erzählen, die ihnen dann doch irgendwie entwischt sind. Und wenn es den illustren Gästen zu langweilig wird, dann können sie die Decke bewundern. Was sogar Sinn ergibt, denn die ist herrlich verziert.
Aber … sind das wirklich Jagdszenen? Ich entdeckte als erstes eine Szene, die sich so garantiert nicht bei Schleswig abgespielt hat:

Abgesehen davon, dass vorne links anscheinend ein Fußgänger von einem Reiter gemeuchelt wird … was für ein Tier wird da eigentlich gerade erlegt? Das sieht verdächtig nach einem Lindwurm aus! Und schon war mein Entdeckerdrang geweckt, ich schaute mich nach anderen Fabelwesen um. Und wurde auch schnell fündig:

Bei diesem (nicht wirklich gut erhaltenen) Bild meine ich, hinter der mittleren Figur Reste eines Lindwurms zu entdecken, vor allem den schuppigen Schwanz. Aber was macht der Mann jetzt da? Es sieht fast aus, als würde er auf dem Schwanz reiten, und dann einem Höllenschlund entgegen streben zu wollen. Die Figuren an den Seiten, eine Mischung aus historisierenden Römern, Landsknechten und Ewoks, zeigen bewundernd auf ihn. Oder ihm den Weg. Oder lesen ihm die Leviten?
So weit, so relativ normal, jeder Nordgermane oder Skandinavier hatte ja irgendwie einen Drachentöter in der Ahnenreihe, das ist nur die mythologisierende Ausweitung der Jagd-Döntjes. Doch dann entdeckte ich mehr.

Wird hier noch gejagt? Ich glaube nicht, denn das sieht mehr nach einem Feldlager aus, in dem ein Gefesselter mit Reisigbündeln ausgepeitscht wird. Gut, denke ich, vielleicht hat hier der Künstler bei einem Saunabesuch etwas in den falschen Hals gekriegt, aber der Eindruck ist verwirrend.
Genauso wie beim nächsten Bild:

Schnipp-schnapp, Rübe ab! Da gibt es jetzt wirklich nichts mehr zu deuteln, es handelt sich um eine Hinrichtungsszene … zwei sind schon geköpft, beim Dritten im Bunde holt der Scharfrichter nur noch einmal richtig Schwung. Und wieder steht Kriegsvolk herum. Dessen exotische Kleidung und krummsäbelige Bewaffnung vielleicht auf eine christliche Märtyrergeschichte hindeuten könnte.
Dasselbe könnte man auch vom letzten Bild sagen, das ich hier zeigen möchte:

Hier haben wir nun die ultimative BDSM-Phantasie erreicht, denke ich … oder wieder einen guten Christen, den unkeusche Tartaren (?) in alle Himmelsrichtungen zerstreuen möchten. Ich gebe auf (zumal es an meinem Besuchstag knallheiß war und ich noch zu den Samurai und den Kutschen wollte). Und frage mich immer noch, ob hier ein Martyrologium gezeigt wird (die unmittelbare Nähe der Kapelle macht es sogar wahrscheinlich), oder ob der Schlossherr hier seine „interessanten“ Neigungen zeigte.
Wer weiß es schon – der Hirschsaal wurde unter dem gerade einmal 15jährigen Johann Adolf, der Teenager war immerhin schon Fürstbischof von Lübeck und Erwählter Erzbischof von Bremen, gestaltet … der unter anderem als hoch verschuldeter Lebemann in die Geschichte einging. Vielleicht einfach die Phantasien eines Pubertierenden?