Das Rennen zum Kunden
„Das ist immer so!“ ist einer meiner Lieblingssätze. Weil, empirisch gesehen, anekdotische Werte sehr oft nicht stimmen. Der Satz aber gern von Menschen gebraucht wird, die nur ihre eigenen, oft sehr geringen Erfahrungen als allgemein gültig darstellen wollen. So etwa bei Lieferzeiten von Klemmbausteinen … Lego immer langsam, BB Services immer blitzschnell. Stimmt das? Nein, und ich kann es beweisen. Zumindest, dass es nicht „immer“ so ist.
Wissenschaftliche Arbeiten beginnen in der Regel mit einer genauen Beschreibung der Grundfrage, der Versuchsbedingungen und -parameter … ergo soll das bei meinem vollkommen unwissenschaftlichen Test auch so sein. Also: Die Frage war, ob BB Services (gerne auch schlicht „BlueBrixx“ genannt) immer schneller als der Branchenführer Lego liefert. Das wird jedenfalls gebetsmühlenartig von den Fans wiederholt. Ich habe da aber bislang keine großen Unterschiede feststellen können. Also machte ich die Probe aufs Exempel, denn bei beiden Anbietern standen Bestellungen an. Was lag also näher, als diese quasi zeitgleich zu erledigen? Geschwind zwei Fenster im Browser geöffnet, und los geht es …
29. Mai – Startschuss
Gegen Mittag geht es los – bei Lego werden erstmal VIP-Punkte in Gutscheine umgetauscht, was ja laut einigen Leuten an sich schon problematisch sein soll. Geht aber in Sekundenschnelle, und binnen kurzer Zeit ist die Bestellung komplettiert und ohne Schluckauf abgesetzt. Empfangsbestätigung folgt auf dem Fusse.
Bei BB Services geht alles genauso flott, natürlich ohne die dort gar nicht vorhandenen VIP-Rabatte, bis ich zur Zahlung komme. Neben PayPal wird mir auch die direkte Kartenzahlung angeboten, also warum habe ich die bislang nicht genutzt? Einen Klick weiter fällt es mir wieder ein: Zur weiteren Bearbeitung verlangt das System Strasse und Hausnummer, ich gebe beides ein, lande in einer endlosen „Fehler-Schleife“. Also doch PayPal. Bestellbestätigung flott da.
Am selben Abend noch teilen mir beide Firmen mit, dass mein Paket auf dem Weg sei. Oh Freude!
30. Mai – Fehlstart?
Am nächsten Tag schaue ich mir das Tracking an … bitte, was?
Bei Lego scheint alles in Butter, DPD hat das Paket in seinen Händen, es ist von Mechelen (Belgien) aus zu mir unterwegs. Ein Riesenvorteil des dänischen Konzerns: Kundenbestellungen können aus beliebigen geeigneten Lagern geliefert werden. Sonst bekam ich mein Paket immer aus Köln, jetzt eben vom Nachbarn, auch egal.
Bei BB Services hakt es irgendwie … DHL kann mit der Trackingnummer nichts anfangen, obwohl auf der Webseite von BB Services selber deutlich „Versendet“ steht. Erst gegen Abend tut sich etwas beim Dienstleister, ab 15:45 Uhr wird die Sendung als „elektronisch angekündigt“ geführt. Also noch nicht übernommen oder gar von DHL sonstwie bearbeitet.
31. Mai – Vorsprung der Dänen
Tracking ist toll – ich kann erkennen, dass das Lego-Paket noch in der Nacht in Hinckley (Leicestershire, UK) ankam und weiter bearbeitet wird. Ein nasses Hindernis ist also schon überwunden.
Tracking ist nicht so toll – bei BB Services als versendet angegeben, ist das Paket bei DHL immer noch nur elektronisch existent.
1. Juni – Feiertag, aber …
Eigentlich habe ich heute keine Veränderung erwartet, doch DPD überrascht positiv – am Abend gilt das Paket in Athlone (Republik Irland) als bearbeitet.
In Flörsheim dagegen scheint mein Paket weiter selig zu schlummern, denn das Paket ist bei DHL immer noch nur elektronisch angekündigt.
2. Juni – Endspurt, oder Neustart?
Der Dienstag beginnt gut, denn am Morgen kommt eine SMS von DPD herein, das Lego-Paket soll mir noch am Abend überreicht werden. Der angegebene Lieferzeitraum konveniert, ist aber relativ spät.
BB Services dagegen … still ruht der See, DHL hat immer noch kein Paket in Händen.
Amüsiert mache ich in der firmeneigenen Facebook-Gruppe ein Posting: „Weil ich oft Klagen lese, dass Lego so elend langsam und BB Services so ratzfatz schnell sei, habe ich einfach mal letzte Woche ein virtuelles Wettrennen gestartet … hmmmm … Lego liegt gerade weit vorn. Mal sehen, wie es im Zieleinlauf aussieht.“ Die Reaktionen? Gemischt …
Am späten Abend dann schwächelt Team Lego – DPD teilt mir mit, dass die Adresse falsch sei, dass man mich nicht erreicht habe, dass man eine Nachricht hinterlassen habe. Mit Letzterem muss die SMS gemeint sein, die eine Stunde nach dem Lieferfenster kam. Man werde es wieder versuchen. Wie denn? Mit einer angeblich falschen Adresse, die nach Bestellbestätigung samt dem einmaligen Eircode korrekt ist? Ich fluche auf den Dienstleister.
DHL dagegen teilt mir derweil mit, dass das Paket um 18:22 Uhr an sie übergeben wurde und jetzt endlich von BB Services zu mir unterwegs sei.
3. Juni – Klar wie Kloßbrühe
Am Morgen versuche ich, DPD zu erreichen … ein schier aussichtsloses Unterfangen, wenn man nicht sinnlos mit einem Chatbot „kommunizieren“ will. Also wähle ich Plan B, lasse das Paket direkt an eine Paketannahmestelle um die (recht rurale) Ecke umleiten. Warnung: Kann 24 Stunden länger dauern. Na gut, aber dann finden die Hansel wenigstens keine Entschuldigung mehr.
Danach, welch Überraschung: Ich habe Mail von Yvonne! Die arbeitet bei BB Services im Kundendienst und teilt mir unter dem holprigen Betreff „Ihrer Paketnachfrage Bestellung ——— BlueBrixx“ mit:
Sehr geehrter Herr Biege,
gern teilen wir Ihnen den Status Ihrer Bestellung ——— mit:
Bestellung eingegangen Freitag, 29.05.2020 um 12:59 Uhr
Bestellung bearbeitet und am Freitag 29.05.2020 um 16:41 Uhr in den Versand gegeben: Da die Abholung von DHL gegen 15 Uhr erfolgt, war Ihr Paket am Freitag leider nicht in der Abholung, schade.
30./ 31.05. + 01.06. Wochenende bzw. Feiertage, da holt DHL nicht ab.
Ihr Paket wurde am Dienstag, den 02.06. abgeholt und am Abend im Paketzentrum gescannt.
Der Status zur Zeit:
Ende der Nachricht, Status fehlt (kann ich aber im Tracking selber erkennen, das Paket ist in Köln). Ein echtes Lernerlebnis … wie schon von mir gelegentlich bemerkt, hat man bei BB Services leichte linguistische Schwächen: „Versendet“ kann in Flörsheim also auch heißen, dass das Paket „zum Versand vorbereitet“ (so formuliert es, glaube ich, Amazon) wurde, aber noch nicht das Haus verlassen hat. Was am langen Wochenende fatal ist, und zur inhaltlicher Kollision mit dem genaueren Tracking bei DHL führen muss. Positiver zu bemerken: Irgendwer bei BB Services scheint tatsächlich ab und an Postings auf Facebook zu lesen. Nur so kann ich mir zumindest erklären, warum hier eine Paketnachfrage beantwortet wurde, die ich nie getätigt habe.
Am Abend dann SMS von DPD, mein Paket kann doch schon gegen PIN abgeholt werden. Leider macht die Paketannahmestelle derzeit wegen Covid-19 schon um 19:00 Uhr dicht (sonst hat der Tante-Emma-Laden mit Tankstelle bis 22:00 auf), also noch mal überschlafen.
4. Juni – Lego gewinnt, mit Abzügen!
Am Morgen schnell zur Paketannahmestelle gesaust, PIN runtergebetet, das DPD-Paket entgegen genommen. Und sofort Abbitte bei DPD als Dienstleister getan – wer auch immer bei Lego das Adresslabel in den Druck gegeben hat, gehört gevierteilt. Denn die Adresse ist wirklich nicht korrekt, es fehlt ein Teil des Ortsnamens, der Ortsbereich wurde dafür dreifach wiederholt, und die in Irland extrem wichtige Postleitzahl fehlt ganz, ebenso wie das County. Da wundert es mich, dass die Sendung überhaupt richtig geleitet wurde.
DHL dagegen teilt mir mit, dass die Sendung von BB Services irgendwo zwischen Köln und dem Zielland sei. Aus bitterer Erfahrung mit unbeholfenen Anwendern des Drop-Down-Menus hoffe ich inständig, dass damit nicht „Iran“ gemeint ist.
5. Juni – Nachzügler im Land
Rechtzeitig zum Wochenende ist das DHL-Paket aus Flörsheim jetzt in Irland … gut, dass ich noch nie Hobbies als Just-in-Time-Betätigung gesehen habe, wie so manche Mitmenschen es anscheinend tun.
8. Juni – Der Postbote klopft zweimal!
Am darauffolgenden Montag trifft, rechtzeitig zu Mittag, das Paket von BB Services bei mir ein. Vier (ohne Covid-19 fünf) Tage nach dem Lego-Paket. Alles in Ordnung, es liegt auch ein kleines Dankeschön in Form von Mini-Bausteinen im Tütchen bei (das VIP-Programm von Lego ist da eher attraktiv, sorry), aber eben der Beweis, dass es nicht immer schneller „straight outta Flörsheim“ geht.
Was lernen wir jetzt?
Ich gebe zu … nach meinen bisherigen, durchweg zufrieden stellenden Erfahrungen sowohl mit Lego wie auch mit BB Services hatte ich mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen gerechnet. Oder mit dem Fazit: „Jeder Online-Händler ist nur so gut wie seine Dienstleister.“ Das aber trat beides nicht ein.
In Zahlen – das Lego-Paket war binnen sieben Tagen bei mir, das Paket von BB Services brauchte elf Tage. Jetzt wird mancher Leser schlau anmerken, dass man doch eigentlich nur Werktage rechnen könne. Gut, nehmen wir die … Lego vier Tage, BB Services sechs. Das Verhältnis der Zeiträume bleibt nahezu gleich.
Und obwohl ich DPD als Paketdienstleister eher skeptisch gegenüber stehe (DHL wird hier mit der normalen Post, und damit mit vorteilhafter Orts- und Personenkenntnis, ausgeliefert), muss ich Lob aussprechen: Die entstandene Verzögerung von zwei Tagen ging allein auf das Konto von Lego, wo ein fast unbrauchbares Adresslabel ausgedruckt wurde.
BB Services dagegen … naja, letztlich war die lange Transportdauer vor allem dadurch bedingt, dass ein Abholfenster verpasst wurde und das Paket sich noch einige Tage in Flörsheim mental vorbereiten durfte. Wobei aber die Angabe auf der Webseite von BB Services suggerierte, dass das Paket bereits hurtigen Fusses unterwegs sei. „Schade,“ wie Yvonne vom Kundendienst es lapidar kommentierte.
Aber … was eigentlich ist wirklich wichtig an den Lieferzeiten?
Ich warte hier schließlich nicht auf eine Ladung lebensrettendes Insulin (keine Sorge, brauche ich nicht) oder eine noch heiße Pizza, ich warte auf Spielzeug. Oder Hobbyartikel, wenn es genehmer ist. Die auch nur jetzt bestellt wurden, weil a. gerade das Kleingeld passte, b. das Drachenboot-Rennen demnächst aus dem Programm genommen wird, und c. ich den Panlos-Figuren keine lange Überlebensdauer zutraue.
Kurz: Ob das eine oder andere Paket gestern, heute, morgen oder in drei Wochen eintrifft, es ist eigentlich so relevant wie der sprichwörtliche Sack Reis in China (Butterfly-Effekt mal ausgeklammert).
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Ein PS … leider! Ich hatte auf die schon genannte BlueBrixx-Facebook-Gruppe von BB Services einen Link zu diesem Posting gesetzt, der offensichtlich auch in Flörsheim gelesen wurde. Und binnen einer Stunde wurde dort die Kommentarfunktion gesperrt. Nun ja, man kann BB Services zu Gute halten, dass sie den Link nicht komplett entfernt haben, stimmt. Gleichzeitig nicht mehr kommentierbar war ein anderer Beitrag, in dem ein Gruppenmitglied die Eule „Hedwig“ von Lego lobte. Beiden Beiträgen gemein? Eigentlich nur, dass der dänische Konzern gut wegkam, hier auch nicht zu 100% … anscheinend ist das bei BB Services nicht gern gesehen. Wobei man den direkten Zensurvorwurf dann (mehr oder minder) geschickt dadurch umgeht, dass schlicht die Kommentare gesperrt werden. Was bei der Masse der oft vollkommen sinnlosen Kommentare auf Facebook automatisch bedeutet, dass die betroffenen Beiträge absacken wie ein Zeppelin aus Blei. „Hausrecht“ unbenommen, ich denke mir meinen Teil dazu. Zumal die Kommentarkeule auch schon den Beitrag zum Thema Hakenkreuz-Fetischismus einiger AFOB betraf.